Mein Weg mit Vanessa

Haben eure Kinder bereits Ausgrenzung erlebt? Oder sind sie Zeugen von Ausgrenzung geworden? Wie erging es euch Erwachsenen, als ihr Kinder ward? Ausgrenzung tut weh, das ist klar. Ich spreche da für meine eigenen kindlichen Erfahrungen, die bis heute einen starken Einfluss auf mich haben. Sowohl als Ausgegrenzte, als auch als Zeugin von massiver Ausgrenzung.

Gerade wenn wir selbst Eltern werden und durch unsere Kinder die eigene Kindheit nochmals durchleben, ist es schwer, sich abzugrenzen. Mich schmerzt jeder Kindergartenbericht meiner kleinen Leseratte sehr, in dem sie von Ausgrenzung berichtet. Und dabei ist es in den seltensten Fällen so, dass sie ausgegrenzt wird. Nein, sie wird Zeugin, wie eine ihr nahe stehende Person von einer anderen nahe stehenden Person herabgesetzt wird. Die Hilflosigkeit darüber ist grenzenlos – mag sie doch beide Personen und will sich nicht entscheiden müssen.

Diese Kita-Situation beschäftigt mich sehr und löst bei mir starke Gefühle aus. Und ja ich teile das Gefühl der Ohnmacht mit meinem Kind. Und gerade, als ich nach Büchern zum Thema suchte, fiel mir ein, dass eine liebe Freundin uns vor sehr langer Zeit eines ausgeliehen hatte.

Ich möchte euch heute von Vanessa erzählen, der Hauptperson im Buch „Mein Weg mit Vanessa“ von den New-York-Times Bestsellerautoren Kerascoët.

Vanessa, ein POC (Person of Color) Mädchen zieht mit ihren Eltern in einen Vorort und kommt auf eine neue Schule. Wir sehen, wie sie der Klasse vorgestellt wird und schüchtern ihren Platz in ebenjener einnimmt. Sie wird nicht integriert und sitzt isoliert von den anderen Kindern. Auch als der Schultag vorbei ist, ist sie noch alleine und geht einsam und bedrückt nach Hause, während sich vor der Schule Trauben von lachenden und schnatternden Kindern bilden.

An einem Zebrastreifen bleibt Vanessa stehen. Unweit von ihr stehen vier Kinder aus ihrer Klasse. Ein fünftes Kind nähert sich ihr – griesgrämig, verärgert, ja wütend. Der Junge schreit sie an, lässt alles raus, kocht vor Wut und geht dann einfach wieder.

Vanessa ist sprachlos, verängstigt und beschämt. Sie versucht sich mehr oder weniger gut das Weinen zu verkneifen und rennt schnell nach Hause. Was sie nicht bemerkt hat ist, dass ein (ebenfalls POC) Mädchen aus der 4er-Gruppe Zeugin dieser Situation wurde und nun ihren Freunden davon berichtet. Alle vier Kinder gehen betrübt auseinander. Es ist für Kinder belastend, ZeugInnen zu werden von Ausgrenzung, Mobbing, Gewalt… Wir sehen, wie die Hoffnungslosigkeit über diesen Vorfall mit nach Hause genommen wird.

Der neue Tag beginnt mit einer blendenden Idee am Frühstückstisch. Das Mädchen, welches Zeugin des Zwischenfalls vom Vortag wurde bricht bei strahlendem Sonnenschein auf und klopft an die Tür der verängstigten Vanessa. Sie laufen zusammen zur Schule und weitere Kinder schließen sich an. Wie die Geschichte ausgeht, solltet ihr euch selbst anschauen.

Ich finde dieses Buch sehr einfühlsam gezeichnet und mit Bildern erzählt. Genau, es beinhaltet keinen beschreibenden, oder erzählenden Text (#poesiederstille). Es ist zart, wie die verletzliche Vanessa. Es ist bedrückend und ohnmachterezeugend wie der Konflikt, der sich an der Straße abspielt. Doch das Buch macht auch Mut und Hoffnung.

Was mir besonders gut gefällt, sind die unterschiedlichen POC Kinder. Ich liebe es, zu sehen, dass versucht wurde ein Bild unserer Gesellschaft zu zeichnen, die multikulturell ist.

Im Anhang finden wir eine Seite mit Hilfestellungen, was Kinder tun können, wenn jemand gehänselt wird und wenn sie sich sicher genug fühlen, etwas dagegen zu tun. Denn das ist es doch, was oftmals so unglaublich schwer ist: Das Sichtbarmachen eines solchen Konflikts – das Aus-der-sicheren-Deckung-treten.

Dieses Buch ist sehr wertvoll und sollte in den Familien, in Kitas aber auch in Grundschulen zum Einsatz kommen. Die Kinder können sich die Geschichte von Vanessa selbst erzählen, da sie von keiner Textversion abhängig sind. Sie können darüber berichten, wann es ihnen wie einer der Personen ergangen ist. Es ist sicherlich auch spannend, die Seite de Täters zu hören, der meist selbst Angst hat vor Ausgrenzung und Einsamkeit.

Schaut euch dieses zarte Buch an!

Bei der Beschäftigung mit dem Konflikt in der Gruppe meiner Tochter und der Recherche nach passenden Büchern, erschien irgendwann das Thema „Giraffensprache“ auf dem Plan, welches ich hier unbedingt anbringen möchte. Das ist gewaltfreie Kommunikation für Kinder. Ich bin davon überzeugt, dass wir Eltern einen enormen Beitrag für unsere Kinder leisten können (und für unser Umfeld ebenso), wenn wir uns mit dieser Sprache beschäftigen und mit unseren Kindern nicht mehr in Wolfssprache sprechen würden. Indem wir gewaltfrei kommunizieren, legen wir den Grundstein dafür, dass unsere Kinder die Chance haben, ihre Bedürfnisse zu entdecken, zu kommunizieren und dies auch bei ihrem Gegenüber zu entdecken. Ich bin davon überzeugt, Kita, Schule, Universität, Arbeit, ja die Welt, wären friedlichere Orte.

Lasst mir gern eure Meinungen dazu hier! Ich freue mich darauf!

ISBN: 978-3-8489-0153-1 (Wenn ich richtig gesehen habe, ist das Buch nur noch gebraucht zu erhalten.)

Kerascoët (2018) : Mein Weg mit Vanessa. Hamburg: Aladin Verlag.

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